ARCHIV 2013
Zwei expressionistische Sommer in Bonn
Nur eine Wendung
100 Jahre ist es her, dass August Macke gemeinsam mit 13 Künstlern und zwei Künstlerinnen die Ausstellung der „Rheinischen Expressionisten“ in Bonn realisierte. Dieses Jubiläum nimmt das Kunstmuseum Bonn zum Anlass, den 16 Künstlern eine Ausstellung zu widmen. Dabei geht es nicht darum, die Schau von 1913 zu rekonstruieren, sondern dem Phänomen des im Rheinland verorteten Expressionismus nachzuspüren.
DAS BILD WURDE AUS ©GRÜNDEN ENTFERNT.
Heinrich Campendonk, Komposition mit 2 Figuren, um 1912, Aquarell und Deckfarben auf Papier, 43,5 × 72 cm, Privatbesitz © VG Bild-Kunst, Bonn 2013 |
ES WAR ein lauer, regnerischer rheinischer Winter, als August und Elisabeth Macke vom Tegernsee kommend 1911 in Bonn eintrafen. So jedenfalls beschreibt es Elisabeth 1962 in ihren „Erinnerungen an August Macke“. Macke lockte das große Atelier, das ihm im Hause der Schwiegereltern eingerichtet wurde und das sich bald zu einem Treffpunkt der Kunstszene entwickeln sollte. Schnell baute er, wie wir es heute nennen würden, sein Netzwerk in Bonn weiter aus: Walter Cohen gehörte dazu, der am Provinzialmuseum in Bonn arbeitete, und seine beiden Brüder Friedrich und Heinrich, die gegenüber der Universität einen Buch- und Kunsthandel betrieben. Er freundete sich mit Max Ernst an, ließ die Beziehungen zu dem Maler Hans Thuar wieder aufleben und stand in Kontakt mit Franz Marc und Paul Klee, um nur einige zu nennen. August Macke war im Sonderbund Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler aktiv sowie in der „Cölner“ Sezession und im Gereonsklub. Nicht nur das: An den Planungen der „Sonderbund-Ausstellung“ 1912 (mehr) in Köln und des „Ersten deutschen Herbstsalons“ 1913 in Herwarth Waldens Berliner Galerie „Der Sturm“ (mehr) war er maßgeblich beteiligt. Kurz: Er war Impuls- und Ideengeber, ein Ausnahmekünstler und Wegbereiter.
Ein expressionistischer Sommer 1913
DAS BILD WURDE AUS ©GRÜNDEN ENTFERNT.
Max Ernst, Kreuzigung, 1913
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Da lag es nahe, auch an seinem Wohnort Bonn aktiv zu werden: Macke organisierte im Sommer 1913 die „Ausstellung Rheinischer Expressionisten“, und zwar in den Räumlichkeiten der Buch- und Kunsthandlung der Cohen-Brüder gegenüber der Universität. Wenn er es nur tat, wie er schrieb, „erstens, um Cassierer zuvorzukommen, und die Leute hier zusammenzubringen, zweitens als Probe für den Herbstsalon“, wäre es fast ein wenig schade.
Im Frühjahr 1913 begann Macke mit den Vorbereitungen. Teils wählte er Künstlerpersönlichkeiten aus, die schon in der „Cölner“ Sezession ausgestellt hatten, teils stammten die Maler aus seinem Freundes- und Umkreis: Heinrich Campendonk, Ernst Moritz Engert, Max Ernst, Otto Feldmann, Franz Seraph Henseler, Franz M. Jansen, Joseph Kölschbach, Helmuth Macke, Marie von Malachowski-Nauen, Carlo Mense, Heinrich Nauen, Olga Oppenheimer, Paul Adolf Seehaus, William Straube, Hans Thuar und Macke selbst.
Allen gemeinsam war der Bezug zum Rheinland, und seien es nur einige Aufenthalte in Bonn gewesen. Ein gemeinsamer Stil oder ein kunsttheoretisches Konzept verband die Künstler nicht. Macke ging es nicht um eine inhaltliche Programmatik, wie sie der „Blaue Reiter“ oder die „Brücke“ für sich beanspruchten. Lediglich die Ausstellungsräume waren Programm und als Ort für zeitgenössische Kunst etabliert: 1907 hatten dort die Brücke-Künstler ausgestellt, ein Jahr später war dort Gabriele Münter zu sehen und 1912 August Macke selbst.
Ein expressionistischer Sommer 2013
Helmuth Macke, Stillleben mit Zinnerarie und Buch, 1913
August Macke, Plakatentwurf für die Ausstellung Rheinischer Expressionisten in Bonn 1913, |
Die rund 120 Gemälde, die damals gezeigt wurden, lassen sich heute nicht mehr zweifelsfrei rekonstruieren. Auch bleibt ungeklärt, ob Kunstgewerbe ausgestellt wurde. Deshalb ist die Schau im Bonner Kunstmuseum auch nicht als Rekonstruktion gedacht. Zwar sind alle damaligen Künstler vertreten, aber teils mit anderen Werken. „Es wird versucht“, so formuliert es die Kuratorin Irene Kleinschmidt-Altpeter „ … sowohl eine qualitativ überzeugende Auswahl zusammenzustellen, als auch Prozesse der gegenseitigen stilistischen Anregung und Aneignung der damaligen Künstler zu zeigen“. Das ist gut gelungen. Darüber hinaus können die Besucher in der ständigen Sammlung des Kunstmuseums Bonn die künstlerische Weiterentwicklung eines Teils der Maler verfolgen.
Den Ausbruch des ersten Weltkrieges konnte 1913 niemand vorhersehen; trotzdem wurde die Zeit davor als eine Epoche tiefgreifender Umwälzungen empfunden, die auch die Künstler ergriff: „Alle diese Dinge, Kubismus, Futurismus, Expressionismus, abstrakte Malerei“, so schrieb August Macke am 20. März 1913 in einem Brief an Eberhard Grisebach, „sind nur die Bezeichnung für eine Wendung, die unser malerisches Denken machen will und macht.“ Im Gegensatz zu Berlin jedoch war das Leben in Bonn – damals schon – beschaulich, und viele der rheinischen Expressionisten lebten in gutsituierten und geordneten familiären Verhältnissen. So wundert es nicht, dass der rheinische Expressionismus weniger offensiv erscheint. In den Gemälden überwiegen Interieurs, Landschaften, Stillleben und Porträts, während Urbanisierung und Industrialisierung, Aktdarstellungen oder gar Provokationen kaum eine Rolle spielen. Das „Durchfreuen der Natur“ hatte August Macke als Maxime seiner Bildwahrnehmung postuliert. “Typisch rheinisch“ hat es Andreas Gabelmann im Ausstellungskatalog genannt.
Als August Macke (mehr) am 26. September 1914 als Soldat in Frankreich fiel, war er 27 Jahre alt.
Marion Lisken-Pruss
Die Ausstellung "Ein Expressionistischer Sommer – Bonn 1913“ ist bis zum 27. September 2013 zu sehen.
Kunstmuseum Bonn
Museumsmeile
Friedrich-Ebert-Allee 2
53113 Bonn
Tel. 0228 / 77-6260
Öffnungszeiten
DI - SO 11 – 18 Uhr
MI 11 – 21 Uhr