GESCHICHTE
Marlene und die Schauburg
Nicht nur US-Soldaten trauten ihren Augen nicht. Auch so manche Deutsche, die verängstigt aus den Kellern in Stolberg bei Aachen krochen. Ein leibhaftiger Hollywood-Star stakste durch Trümmer und Schlamm.
Mit Helm, Stiefeln und in US-Uniform: Marlene Dietrich (links) im März 1945 an einer Panzer-Höckerlinie im pfälzischen Kirchheimbolanden zwei Monate vor dem Ende des Kriegs. Foto © Deutsche Kinemathek Marlene Dietrich Collection Berlin. Bildquelle © Greven Verlag Köln 2025 |
Der Kalender zeigte den 29. November 1944. Der Zweite Weltkrieg war noch längst nicht zu Ende, als sich der Weltstar Marlene Dietrich im schwer zerstörten rheinischen Stolberg unweit der umkämpften Frontlinie einfand und ein Konzert für US-Soldaten gab. Ort der Handlung: Das weitgehend schadenfreie örtliche Kino Schauburg.
Gruppenbild mit Dame: Marlene Dietrich mit Soldaten vor einer Ruine in Stolberg. Foto © Deutsche Kinemathek Marlene Dietrich Collection Berlin. Bildquelle © Greven Verlag Köln 2025
|
Seit Frühjahr 1944 legt sie sich wie niemand sonst aus dem amerikanischen Showbusiness an vorderster Front bei der Truppenbetreuung ins Zeug. Die 43-Jährige war Teil einer Entertainer-Crew, die die Soldaten bei Laune halten und sie in ihrem Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland moralisch unterstützt sollte.
Buchcover. Bildquelle © Greven Verlag Köln 2025. Ergänzende Bildunterschrift siehe unten
|
Marlene Dietrich umringt von Marinesoldaten. Naval Station Great Lakes, Illinois, Juni 1942. Foto © Deutsche Kinemathek Marlene Dietrich Collection Berlin. Bildquelle © Greven Verlag Köln 2025
|
Sie war nicht die einzige Prominente, die Ende 1944 bei „Enter to Germany“ dabei sein wollte. Ein Tross von Medienleuten aller Couleur folgte den alliierten Truppen. Zeitgleich waren etwa der US-Buchautor und Journalist Ernst Hemingway sowie der spätere Bestellerautor J.D. Salinger bei den Kämpfen im Hürtgenwald vor Ort (mehr). Als Bildjournalisten arbeiteten ferner die US-Fotografie-Legenden Tony Vacchero und Robert Capa (mehr) im Grenzgebiet. Bekannt wurde auch die US-Kriegsreporterin Lee Miller. Und zwar nicht nur durch spektakuläre Bildreportagen aus der Etappe sondern auch durch ein Bad in Hitlers Badewanne in München (mehr).
Anfang März 1945. Marlene Dietrich mit Paillettenkleid auf einem Panzer in Gillrath bei Heinsberg. Sie notierte darunter: TRYING TO KEEP THEM SMILING „Versuche, sie zum Lächeln zu bringen“. Foto © Deutsche Kinemathek Marlene Dietrich Collection Berlin. Bildquelle © Greven Verlag Köln 2025
|
Aber in Stolberg war Marlene Dietrich eine Solistin und ihre Schau ein sagenhafter Vorgang, wie Autor Burger mit gut recherchierten Texten darlegt. Oft zitierte Episode aus dem Stolberg-Auftritt: Eine Tasse Kaffee, so rar wie wertvoll in jenen Kriegstagen, wurde ihr von Deutschen in der Schauburg angeboten. Sie solle den besser nicht trinken, rieten ihr US-Militärs und Begleiter. Der Trunk könnte vergiftet sein (siehe Anmerkung unten). War er nicht. Die berühmte Marlene Dietrich, der Kaffee in der Schauburg zu Stolberg und ihr dortiger erster Bühnenauftritt vor Kriegsende in Deutschland gingen in die Geschichte ein.
cpw
► Unbegründet war die Furcht vor deutscher Rache nicht. Es gab Anschläge der sogenannten Werwolf-Organisation, einer von den Alliierten gefürchteten Untergrund-Gruppe. Das tödliche Attentat auf den ersten Nachkriegsbürgermeister von Aachen Franz Oppenhoff, am 25. März 1945, wurde von einem Werwolf-Kommando durchgeführt und verdeutlicht die gefährliche Lage in den letzten Kriegsmonaten in der Region Eifel/ Aachen.
► Die Publikation basiert auf einer Kooperation mit der Deutschen Kinemathek — Marlene Dietrich Collection Berlin. So gut wie alle Fotografien stammen aus dem Nachlass von Marlene Dietrich. Viele davon wurden von ihrer U.S.O.-Kameradin Lin Mayberry gemacht. Die Texanerin war als Komikerin monatelang Mitglied der amerikanischen Show-Truppe.
Literaturhinweis:
Reiner Burger Marlene Dietrich an der Front, Leinen mit Schutzumschlag, 160 Seiten, 124 Abbildungen, 21 x 27 cm. Greven Verlag Köln, ISBN 978-3-7743-0988-3. Preis 38,- EUR